Mittwoch, 12. August 2009

ich bin jacks fast vergessene geschichte

bei meiner kleinen wandertour durch das weltkulturerbe mittelrheintal gab es nicht nur sehr viel interessantes und ansehnliches für das auge und herausforderungen steiniger art für die beine sondern auch interessante geschichtliche informationen für den wissbegierigen wanderer (und natürlich auch für die wandererin...)

mehrere schilder verkünden ab lorch vom "freistaat flaschenhals", zu dem einst das gebiet von lorch bis etwa kaub am rheinufer bis in den taunus nach laufenselden gehörte...ja richtig, ein freistaat...
um kurz zu erläutern wie es dazu kam geht es gedanklich zurück zu den wirren des ersten weltkrieges...beim waffenstillstandsabkommen von compiègne wurde festgelegt, dass das linke rheinufer besetzt wird und zusätzlich im umkreis von 30 kilometer um wichtige städte auch das rechtsrheinische ufer in den besatzungszustand versetzt werden sollte...drei städte die ausgewählt wurden, waren koblenz (usa), mainz (franzosen) und köln (briten)...somit sollte verhindert werden, dass deutschland erstens nicht wieder in die nähe der franzosen kommen kann und zweitens die reichhaltigen bodenschätze nicht zur wiederaufrüstung nutzen kann...

-> ich bin jacks kleiner messfehler

zwischen köln und koblenz ging der plan der alliierten auf und beide kreise konnten sich überlappen, allerdings blieb zwischen dem koblenzer kreis, dem mainzer kreis und dem rhein ein unbesetztes gebiet übrig, welches vom restlichen deutschland abgeschnitten war und dann als freistaat flaschenhals sogar im versailler vertrag anerkannt wurde...man kann nur mutmaßen auf was der fehler beruht...gnadenlose selbstüberschätzung, meilen zu kilometer umrechnungsfehler, geographische unkenntnis, schlechtes kartenmaterial...alles ist möglich...

auf grund der isolierten lage zwischen den besatzungszonen und dem reiseverbot mussten die einwohner im flaschenhals ständig improvisieren...schmuggel war an der tages- oder vielmehr an der nachtordnung und eigenes notgeld wurde gepresst... verziert wurde es mit ironischen sprüchen wie "nirgends ist es schöner als in dem freistaat flaschenhals"...

wenigstens den humor hatten die einwohner nicht verloren...das unrühmliche ende kam dann schließlich ende 1923 als französische truppen einmarschierten und das gebiet besetzten...

-> ich bin jacks kurzes gastspiel auf der weltbühne

1994 aber erinnerten sich einige geschichtsbewusste winzer, hoteliers und gastronomen im gebiet des ehemaligen freistaates an die kuriose vergangenheit und belebten den furiosen flaschenhals von neuem, dieses mal allerdings "nur" als "label" für die gemeinsame vermarktung auserlesener weine und regionaler spezilitäten...also zusätzlich zum alleinstellungsmerkmal "weltkulturerbe" noch das alleinstellungsmerkmal "freistaat flaschenhals"...bei einem blick auf die preise der produkte könnte man meinen, nicht nur das geschichts- sondern auch das geschäftsbewusstsein spielte 1994 eine rolle...

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